Obwohl die Zahl der KI-basierten Auswertungstools stetig wächst, ist das Thema Künstliche Intelligenz bisher weder im Medizinstudium noch in der fachärztlichen Weiterbildung Radiologie oder in den Ausbildungscurricula der anderen radiologischen Berufsgruppen integriert. Die AG Informationstechnologie (AGIT) hat deshalb die Q1-Zusatzqualifizierung Künstliche Intelligenz auf den Weg gebracht, um Radiolog:innen, Medizinphysiker:innen und Medizinischen Technolog:innen für Radiologie grundlegende Kompetenzen zu vermitteln, die sowohl die Anwendungsmöglichkeiten als auch die wesentlichen Herausforderungen und Grenzen von KI-gestützter Software umfassen. Wir sprachen hierzu mit dem Vorsitzenden der AGIT, Prof. Dr. Mathias May.
Herr Professor May, weshalb hat die AGIT eine Q1-Zusatzqualifizierung Künstliche Intelligenz ins Leben gerufen?
In der Medizin werden wir mit Anwendungen der Künstlichen Intelligenz nahezu überflutet. Dabei ist es schwer, den Überblick zu behalten und nicht auf Irrglauben reinzufallen. Wir sind auf der anderen Seite davon überzeugt, dass Künstliche Intelligenz ein enormes Potenzial für die Verbesserung der Patientinnen- und Patientenversorgung besitzt. Es liegt daher in unserer Verantwortung, als radiologische Fachgesellschaft diese Entwicklungen aktiv mitzugestalten. Die Grundvoraussetzung dafür ist natürlich, zunächst die Grundlagen zu beherrschen. Mit der Q1-Zusatzqualifizierung bieten wir als erste Fachgesellschaft eine flächendeckende Fortbildung zu dem Thema an und positionieren uns damit als Innovationstreiber und wichtiger Partner in der Medizin
Wie ist die Zusatzqualifizierung aufgebaut?
Die Q1-Zusatzqualifizierung Künstliche Intelligenz, die übrigens auch bereits während der Facharztweiterbildung für Radiologie erworben werden kann, erlangt man durch die erfolgreiche Teilnahme am interaktiven Q1-Kurs Künstliche Intelligenz, der als InstaRad-Kurs on demand auf der Lernplattform conrad der DRG verfügbar ist sowie ergänzend hierzu den Nachweis über die Teilnahme an einem der von der AGIT angebotenen interaktiven Q1-Live-Kurse Künstliche Intelligenz, die als Zoom-Kurse angeboten werden.
Ein wesentlicher Teil der Q1-Zusatzqualifizerung Künstliche Intelligenz ist der von Ihnen erwähnte InstaRad-Kurs auf conrad. Weshalb hat sich die AGIT für dieses Format entschieden?
InstaRad vereint gleich mehrere Lehrkonzepte. Wissen kann hier in Kurzvideos unabhängig von Raum und Zeit aufgenommen werden. Jeder kann also die Rahmenbedingungen der Kursteilnahme selbst wählen. Die Inhalte sind außerdem kondensiert und praxisnah. Durch die direkte Ansprache der in den Mittelpunkt der Präsentation gerückten Referentinnen und Referenten bleiben Fakten leichter in Erinnerung. In den Bullet Times werden die Zuhörerinnen und Zuhörer dann in eine Diskussionsrunde mitgenommen, die ganz grundsätzliche Arbeitszusammenhänge aufzeigen und so zum Weiterdenken anregen soll. Am Ende jedes Themas ermöglichen dann die kompakten Fragen eine aktive Reproduktion, Anwendung und den Transfer der zuvor gehörten Kerninhalte an. Kurzum: Der InstaRad-Kurs ist die perfekte Vorbereitung für die Live- und Hands-on Kurse, in denen dann Kompetenzen erlernt und tiefer greifende Fragen beantwortet werden können.
„Unsere Q1-Zusatzqualifizerung kann man sich wie eine Werkzeugkiste aus dem Heimwerkermarkt vorstellen. Damit kommt man schon sehr weit, auch ohne gleich ein Profi sein zu müssen.“ |
Inwieweit helfen die im Rahmen der Q1-Zusatzqualifizerung vermittelten Kenntnisse dabei, die Herausforderungen besser zu meistern, die sich bei der Integration von KI-gestützter Software in den radiologischen Befundungsprozess ergeben können?
Eine wichtige Motivation für die Erstellung der Zusatzqualifizierung waren die jungen Radiologinnen und Radiologen, die insbesondere auf dem Deutschen Röntgenkongress mit KI-Wissenschaft, -Angeboten und entsprechenden Marketingsprüchen geradezu überhäuft werden. Wir wollen gerade die jüngeren Kolleginnen und Kollegen stärken und mit dem notwendigen Selbstbewusstsein ausstatten, um die richtigen Fragen stellen und Probleme erkennen zu können. Wir haben deshalb nicht nur Grundlagen und Techniken, sondern auch ethische Betrachtungen und praxisnahe Themen wie Pitfalls sowie eine kleine Marktübersicht in unser Fortbildungsangebot integriert. Unsere Q1-Zusatzqualifizerung kann man sich wie eine Werkzeugkiste aus dem Heimwerkermarkt vorstellen. Damit kommt man schon sehr weit, auch ohne gleich ein Profi sein zu müssen.
Die Zusatzqualifizierung Künstliche Intelligenz richtet sich an alle Berufsgruppen in der Radiologie. Was hat die AGIT zu diesem Schritt bewogen?
In der Radiologie ist immer ein Team aus Expertinnen und Experten notwendig, um ein hochqualitatives Ergebnis zu erzielen. Daher war für uns klar, dass die Q1- Zusatzqualifizierung nicht an einen akademischen Grad oder eine Berufsgruppe geknüpft sein soll. In keinem Ausbildungscurriculum – weder für Medizinische Technolog:innen für Radiologie, Medizinphysiker:innen oder Radiolog:innen – spielt die Künstliche Intelligenz bislang eine Rolle. Diese Lücke möchten wir schnellstmöglich und niederschwellig schließen.
Wie beurteilen Sie die aktuelle Integration von KI in der radiologischen Praxis und welche weiteren Entwicklungen erwarten Sie in naher Zukunft?
Die Kluft zwischen Forschung und Routineversorgung ist leider riesig. Dies hat zum einen technische und zum anderen regulatorische Gründe. Da lokal erstellte Modelle oft schlecht generalisierbar sind, werden heterogene, am besten multizentrische Daten benötigt. Mit den in den letzten Jahren entstandenen Infrastrukturen des Netzwerks Universitätsmedizin kommen wir diesem Ziel sicherlich kontinuierlich näher. Wir sind allerdings an vielen Stellen aufgrund der noch viel höheren Hürden der Medical Device Regulation, und ganz neu auch des AI-Acts der EU, von einer Translation in den klinischen Bereich noch weit entfernt. Hinzu kommt, dass die Anwendungen, die es dann auf den kommerziellen Markt schaffen, unter einer geringen Standardisierung leiden. Auch dazu gibt es aber laufende Bestrebungen, zum Beispiel des DIN und der Initiative IHE (Integrating the Healthcare Enterprise). Wie die Modelle dann letztendlich in den bunten Markt an Befundungsworkflows eingebunden werden, ist aktuell auch noch sehr von den lokalen Voraussetzungen abhängig. Hier braucht es sicherlich Orchestratoren, um das aktuell wild durcheinander spielende Orchester an Individualisten zu einem harmonischen Ganzen zusammenzuführen.
„Bei näherer Betrachtung ist man [..] ziemlich ernüchtert, wenn man sieht, dass das Raumschiff KI oft nicht einmal den Bordstein hinunterkommt.“ |
Was persönlich motiviert Sie, sich für die Fortbildung im Bereich Künstliche Intelligenz einzusetzen?
Ich bin tatsächlich begeistert, wie ein Thema, über das kaum jemand etwas Fundiertes weiß, so einen Hype und so eine Hysterie auslösen kann. Vielleicht ist es auch einfach dieses dunkel Mysteriöse, das einer Black-Box innewohnt, vielleicht die Panik um den Verlust des eigenen Berufs, oder die mörderische Gefahr, damit die ganze Welt auslöschen zu können. Bei näherer Betrachtung ist man allerdings ziemlich ernüchtert, wenn man sieht, dass das Raumschiff KI oft nicht einmal den Bordstein hinunterkommt. Ich bin selber weit davon entfernt, Programmierer einer weltverändernden Software zu sein. Aber ich glaube auch, dass dies gar nicht die Aufgabe von uns Klinikern ist.